Stellenanzeigen richtig lesen
Stellenanzeigen sind ein unerlässlicher Bestandteil der Jobsuche. Doch viele potentielle Bewerber lassen sich von überhöhten Anforderungen und vermeintlich doppeldeutigen Formulierungen einschüchtern. Dabei ist die richtige Lesart weniger eine Frage der Interpretation als viel mehr Einstellungssache.
Die Stellenanzeige ist mit Abstand das meistgenutzte Recruiting-Instrument deutscher Unternehmen, mehr als die Hälfte aller Neuanstellungen resultiert aus öffentlichen Ausschreibungen. Doch noch immer ranken sich zahlreiche Mythen um die Frage der richtigen Lesart: Häufig ist etwa die Rede von kodierten Formulierungen, die es einer Geheimsprache gleich zu entschlüsseln gilt. Vor allem auf unerfahrene Bewerber wirkt diese Herangehensweise schnell abschreckend und entmutigend. Zwar verrät eine aussagekräftige Stellenanzeige dem geübten Auge mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist, eine besondere hermeneutische Gabe braucht es dafür allerdings nicht! Unsere Tipps verhelfen Dir zu einem gelasseneren und konstruktiveren Umgang mit Stellenanzeigen.
In Stellenanzeigen zwischen den Zeilen lesen
Zumeist ist die Stellenanzeige der erste Kontaktpunkt zwischen Arbeitgeber und Bewerber. Bewerber finden darin eine Fülle an Informationen, von der Tätigkeitsbeschreibung bis hin zu Anforderungen und Erwartungen an zukünftige Mitarbeiter. Lies jede Stellenanzeige deshalb mehrmals vollständig langsam und aufmerksam durch. Dazu gehören auch die Angaben zum Aufbau und Adressaten Deiner Bewerbung. Um nicht bereits an den formalen Bedingungen zu scheitern, solltest Du diese gewissenhaft befolgen.
Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ist die öffentliche Ausschreibung noch immer die beliebteste Möglichkeit, potentielle Bewerber auf sich aufmerksam zu machen. Die Stellenanzeige ist deshalb immer auch eine Art Aushängeschild, schließlich will man sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Aus dieser Perspektive betrachtet, erlauben Stellenanzeigen also umgekehrt auch Rückschlüsse über das jeweilige Unternehmen!
Abgesehen von den einzelnen inhaltlichen Angaben solltest Du Dir deshalb immer auch Zeit nehmen, eine Anzeige ganzheitlich auf Dich wirken zu lassen: Wirkt die Anzeige auf Dich optisch ansprechend? Sind die Informationen aussagekräftig formuliert und strukturiert dargestellt? Ist der Ton formal und sachlich oder handelt es sich um eine eher lockere Ansprache? Diese Eindrücke helfen Dir später, im Anschreiben den richtigen Ton anzuschlagen. Du kannst Dir derartige Informationen aber auch anderweitig zunutze machen, in dem Du in Deiner Bewerbung zum Beispiel bestimmte visuelle oder strukturelle Elemente aufgreifst!
Auch die Größe und Veröffentlichung einer Stellenanzeige kann helfen, Deine Eignung und Bewerberchancen einzuschätzen. Egal, ob Zeitungsannonce oder Jobbörse: Anzeigen kosten Geld. Anhand der Platzierung oder Größe einer Anzeige kannst Du erkennen, wieviel sich das Unternehmen die Personalbeschaffung kosten lässt. Dies kann wiederum ein Indiz dafür sein, dass es dem Arbeitgeber besonders ernst mit den Anforderungen für die ausgeschriebene Stelle ist. Zumindest ist bei einer entsprechend prominenten Platzierung mit größerer Konkurrenz zu rechnen.
Formulierungen in Stellenanzeigen: Der Teufel im Detail?
Unabhängig von Unternehmen und Tätigkeitsfeld wimmeln die meisten Stellenausschreibungen nur so von Phrasen und Schlagwörtern. Um bestimmte Formulierungen hat sich vor allem im digitalen Ratgeber-Kosmos deshalb eine Interpretationskultur etabliert, die jedes Wort nach Prüfung auf der sprichwörtlichen Goldwaage übersetzt. Ein „dynamisches Umfeld“, heißt es etwa, sei in Wirklichkeit ein getarnter Verweis auf eine chaotische Unternehmensstruktur, eine „ausgeglichene Work-Life-Balance“ lediglich ein Chiffre für ständige Erreichbarkeit usw.
Eine derart dogmatische Lesart ist jedoch für den Bewerbungsprozess kontraproduktiv, entsteht doch so ein in erster Linie antagonistisches Bild der Unternehmen. Auf Dich als potentiellen Bewerber kann diese Einstellung hemmend wirken oder unterbewusst in Deine Bewerbung einfließen. Könnte sich hinter dem „dynamischen Umfeld“ nicht genauso gut auch ein rasant wachsendes Unternehmen mit guten Aufstiegschancen verbergen? Vielleicht bedeutet die „Work-Life-Balance“ tatsächlich familienfreundliche und flexible Arbeitszeiten? Eine eindeutige Antwort wirst Du nicht in der Stellenanzeige, sondern erst im Arbeitsalltag finden; bis dahin bleibt es aber reine Auslegungssache. Warum also nicht die Goldwaage beiseitelassen und etwas mehr Zuversicht an den Tag legen?
Personaler haben zudem kein unmittelbar erkennbares Interesse, potentielle Bewerber durch kryptische Formulierungen arglistig hinters Licht zu führen. Warum dann aber dennoch all die substanzlosen Worthülsen? Wie auch Du als Bewerber wollen sich die Unternehmen im bestmöglichen Licht darstellen, dazu gehört dann eben auch eine bestimmte Form der Sprachkosmetik. Zudem gilt in manchen Betrieben die Anzahl an Bewerbungen leider noch immer als Anzeichen einer guten Personalabteilung, was einen stellenweise eher vagen Stil begünstigt.
Mut zur Bewerbung – die richtige Lesart!
Während Überinterpretation also eher hemmend wirkt, ist es dennoch wichtig, gewisse Nuancierungen zu erkennen. Ein „attraktives Gehalt“ ist eine subjektive Formulierung, „überdurchschnittliche Bezahlung“ besitzt da schon wesentlich mehr Aussagekraft. Bezüglich der Anforderungen ist es wichtig, zwischen Muss- und Kann-Aussagen zu unterscheiden, denn nicht immer sind diese eindeutig als solche gekennzeichnet. Dabei solltest Du Dir stets bewusst sein, dass es sich bei der Stellenanzeige um die Idealvorstellung des Arbeitgebers handelt. Eine vollständige Übereinstimmung mit dem ausgeschriebenen Profil sollte deshalb nie Dein Anspruch sein. Lasse Dich also nicht von langen Aufzählungen verunsichern! Dass Du ein Jahr weniger Berufserfahrung hast, als gewünscht, ist noch kein Grund, Dich nicht zu bewerben. Fehlende Kompetenzen kannst Du Dir aneignen oder kompensieren.
Selbst die unliebsamen Worthülsen kannst Du mit der richtigen Lesart zu Deinem Vorteil umkehren: Nimm Dir für Deine Bewerbung einen Moment, um zu überlegen, wie Du abstrakte Begrifflichkeiten wie „Team-“ oder „Kommunikationsfähigkeit“ mit konkreten Fähigkeiten oder persönlichen Stärken füllen und belegen kannst! Diese Reflektion hilft Dir auch, Dir klarer über Deine eigenen Bewertungskriterien zu werden und zukünftig zielgerichteter auf Jobsuche zu gehen. Wenn Du erst einmal weißt, wo Deine Prioritäten liegen, geht Dir bei der passenden Stellenanzeige dann auch die Bewerbung garantiert leichter von der Hand!